Cyberversicherungen im Realitätstest – Gespräch mit Golo Schöllhammer, Versicherungsexperte
Cyberversicherungen im Realitätstest – Gespräch mit Golo Schöllhammer, Versicherungsexperte
Es gibt Themen, die man sich nicht aussucht – sie stehen irgendwann einfach im Raum. Cyberrisiken gehören genau dazu. Sie klopfen nicht höflich an, sondern treten die Tür ein, wenn man gerade Kaffee eingießt oder die Buchhaltung „nur schnell“ fertig machen will. Und dann sitzt man da: Daten verschlüsselt, Website offline, Kopf heiß.
Ich habe in den letzten Jahren öfter darüber gesprochen, was digitale Risiken mit Selbstständigen, kleinen Betrieben oder auch Privatpersonen anstellen können. Aber es gibt jemanden, der darüber nicht nur redet, sondern tagtäglich in den Fällen steckt: Golo Schöllhammer. Ein Freund, den ich seit vielen Jahren kenne – und einer, der fachlich klar, aber menschlich immer geerdet bleibt. Keine Wolkenkuckucksheime, kein unnötiges Versicherungsdeutsch. Sondern echte Fälle, echte Lösungen, echte Mahnungen.
Wenn man Golo fragt, ob eine Cyberversicherung „wirklich nötig“ ist, lächelt er meistens kurz. Dieses typische Lächeln zwischen „Ja, leider“ und „Du wirst gleich verstehen, warum“. Genau das war einer der Gründe, ihn für diesen Artikel zu interviewen. Ich wollte tief rein: Was passiert da draußen? Was macht eine gute Police aus? Wo werden Kundinnen und Kunden überrascht – im positiven oder negativen Sinn?
Bevor wir aber in das ausführliche Interview einsteigen, möchte ich ein wenig Hintergrund liefern – nicht als trockenen Technikvortrag, sondern als Boden, auf dem Golos Antworten später klarer wirken.
Warum Cyberrisiken uns alle betreffen – und warum sie so selten ernst genommen werden
Es gibt diese merkwürdige Schere:
Viele Menschen sichern den Keller ab, schließen Fahrräder doppelt, investieren in Alarmanlagen. Aber die eigene digitale Infrastruktur? Oft erstaunlich ungeschützt. Dabei laufen die meisten unserer geschäftlichen Prozesse inzwischen digital – Rechnungen, Kundendaten, Verträge, Passwörter, interne Kommunikation. Das sind keine kleinen Häppchen für Kriminelle, sondern ein Festbuffet.
Cyberangriffe sind inzwischen weniger „Hollywood-Hacker“, sondern eher Fließbandarbeit. Automatisierte Bots scannen pausenlos Systeme weltweit ab – egal ob großer Industriekonzern oder kleiner Friseurbetrieb. Und weil viele kleine Unternehmen denken, sie seien nicht interessant genug, geraten sie erst recht ins Visier: leichte Ziele, wenig Schutz, hoher Nutzen.
Cyberversicherung klingt für manche nach einem modernen Hype, ist aber längst ein Standardinstrument der Risikovorsorge. Sie ersetzt nicht die IT-Sicherheit. Aber sie springt genau dort ein, wo es teuer wird.
Trotzdem bleiben viele Fragen: Was deckt sie wirklich ab? Was wird oft vergessen? Wo lauern Fallstricke? Und wie sieht die Zusammenarbeit im Ernstfall aus?
Genau darüber spreche ich jetzt mit Golo.
Interview mit Golo Schöllhammer – Cyberversicherung ohne Schönfärberei
1. Golo, du arbeitest seit vielen Jahren mit Unternehmen und Privatkunden. Was ist der häufigste Denkfehler, wenn es um Cyberrisiken geht?
Golo:
Der größte Irrtum? Viele glauben, sie seien „zu klein“, „zu unspannend“ oder „zu unbedeutend“, um Ziel eines Angriffs zu werden. Die Realität: 90 % der Angriffe sind automatisiert. Da sitzt kein Hacker, der überlegt, ob ein Friseursalon interessant genug ist. Ein Bot scannt Tausende IPs pro Stunde. Wenn eine Lücke da ist, wird sie genutzt. Fertig.
Der zweite Fehler ist die Unterschätzung der Folgekosten. Es geht nicht nur um „Daten weg“. Es geht um Tage oder Wochen Stillstand.
2. Viele Menschen glauben noch immer, Cyberangriffe betreffen nur große Firmen. Was sagst du Kundinnen und Kunden, die genau diese Haltung vertreten?
Golo:
Ich sage dann: „Stell dir vor, dein Laden kann drei Tage keine Rechnungen schreiben.“ Da gucken die meisten schon anders. Große Firmen haben eigene IT-Abteilungen, externe Consultants, Incident-Response-Teams. Kleine Betriebe haben oft nur einen IT-Dienstleister, der einmal die Woche Zeit hat. Die sind viel anfälliger.
Und ehrlich gesagt: Die meisten Schadensfälle, die ich begleite, kommen von kleinen Unternehmen mit 1–35 Mitarbeitenden.
3. Welche Art von Schäden sieht man in der Praxis am häufigsten – Datenverlust, Erpressung, Betriebsunterbrechung, Haftungsthemen?
Golo:
Am meisten? Ganz klar Ransomware. Danach kommen Phishing-Schäden – zum Beispiel gefälschte Zahlungsanweisungen.
Betriebsunterbrechungen sind oft das teuerste Element. Ein Tag Offline-Betrieb klingt harmlos, aber wenn du einen Shop betreibst oder ein Handwerksunternehmen bist, ist das brutal.
Haftungsthemen tauchen meist dann auf, wenn Kundendaten abgeflossen sind. Das passiert häufiger als man denkt.
4. Kannst du ein Beispiel aus dem echten Leben nennen – natürlich anonymisiert – das zeigt, wie schnell so ein Angriff im Alltag passiert?
Golo:
Klar. Ein kleines Dienstleistungsunternehmen, fünf Leute. Jemand öffnet eine Mail von angeblich „DHL“. Der Anhang enthielt eine Schadsoftware.
Das System wurde verschlüsselt. Termine, Kundendaten, Rechnungsentwürfe – alles weg.
Der Laden stand neun Tage still. Ohne Cyberversicherung wäre das Unternehmen wahrscheinlich in Schieflage geraten.
Mit Versicherung: Forensiker waren am nächsten Morgen vor Ort, Backups wurden rekonstruiert, der Betrieb lief nach einigen Tagen wieder.
War zwar trotzdem ein Riesenstress, aber wenigstens nicht existenzgefährdend.
5. Worauf sollte man beim Abschluss einer Cyberversicherung besonders achten? Gibt es typische Stolperfallen im Kleingedruckten?
Golo:
Auf drei Dinge:
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Betriebsunterbrechung realistisch kalkuliert? Viele Policen haben viel zu niedrige Summen.
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Forensik und Krisenmanagement inklusive? Das ist oft wertvoller als die reine Zahlung.
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Sind bestimmte IT-Mindeststandards Voraussetzung? Manche Versicherer verlangen Multi-Faktor-Authentifizierung oder regelmäßige Updates. Wer das ignoriert, riskiert Ärger im Schadensfall.
Und ganz wichtig: Finger weg von Policen, die „nur zahlen“, aber keine Dienstleister stellen. Im Ernstfall brauchst du Experten, nicht nur Geld.
6. Wie gut arbeiten Versicherungen im Ernstfall mit IT-Forensikern oder spezialisierten Dienstleistern zusammen? Läuft das reibungslos oder ist es manchmal eine Herausforderung?
Golo:
Das ist inzwischen sehr gut geworden. Früher war es schwieriger, da hatten viele Versicherer kaum Ahnung von der Materie. Heute gibt es feste Partner – Teams, die weltweit Fälle bearbeiten.
Aber – und das ist ehrlich gemeint – je günstiger die Police, desto schlechter die Dienstleister. Qualität kostet. Wer eine Billigpolice kauft, bekommt oft auch nur Basis-Unterstützung.
Ich empfehle immer Tarife, die geprüfte Incident-Response-Partner haben.
7. Welche Unterschiede siehst du zwischen Policen für kleine Unternehmen und solchen für größere Mittelständler?
Golo:
Bei kleinen Unternehmen geht es vor allem um Basis-Schutz: Ransomware, Datenwiederherstellung, Betriebsunterbrechung.
Bei Mittelständlern wird es komplexer: Lieferkettenabhängigkeit, Ausfall externer Dienstleister, Bußgelder, Haftungen gegenüber internationalen Partnern.
Da sind die Verträge dicker, aber auch flexibler. Kleine Unternehmen brauchen eher pragmatische, klare Bausteine.
8. Oft hören wir, dass Versicherungen gewisse Anforderungen an die IT-Sicherheit stellen, bevor sie überhaupt leisten. Wie realistisch sind diese Vorgaben?
Golo:
Die meisten Vorgaben sind absolut machbar. Regelmäßige Updates, Backups, MFA – das kriegt jeder hin.
Was manchmal schwierig ist: Unternehmen, die mit uralten Systemen arbeiten. Da muss man ehrlich sagen: Ohne Mindestniveau geht es nicht.
Die Versicherer haben übrigens kein Interesse daran, Leistungen „wegzudiskutieren“. Sie wollen nur sicherstellen, dass nicht völlige Wildwest-IT abgesichert wird.
9. Was kostet eine gute Cyberversicherung im Durchschnitt – und was treibt die Beiträge nach oben oder unten?
Golo:
Für kleine Unternehmen: zwischen 350 und 1.200 Euro pro Jahr.
Für Mittelstandsbetriebe mit komplexen Strukturen: mehrere tausend Euro, je nach Risiko.
Preisfaktoren:
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Branche
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Umsatz
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Anzahl der Mitarbeiter
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vorhandene IT-Sicherheitsmaßnahmen
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Umfang der gewünschten Deckung
Je besser die IT-Sicherheit, desto günstiger wird’s. Manche Versicherer gewähren sogar Rabatte für MFA, Patchmanagement oder Awareness-Trainings.
10. Wenn du die nächsten fünf bis zehn Jahre blickst: Wie wird sich der Cyberversicherungsmarkt entwickeln? Werden Policen strenger? Teurer? Differenzierter?
Golo:
Ganz klar: Sie werden strenger und differenzierter.
Angriffe nehmen zu, also müssen Versicherer genauer hinsehen.
Es wird mehr Pflichtvorgaben geben, die Tarife werden stärker auf Branchen zugeschnitten sein.
Aber ich glaube auch, dass die Services besser werden – insbesondere Forensik und Prävention.
Cyberversicherung wird so normal wie eine Betriebshaftpflicht. Wir sind gerade erst am Anfang.
Persönlicher Teil: Warum ich Golo vertraue
Ich habe Golo schon in Situationen erlebt, in denen andere längst „Feierabend“ gemacht hätten. Er ruft Kunden auch um 22 Uhr zurück, wenn ein Cybervorfall eskaliert. Und er hat eine erstaunliche Ruhe dabei – vielleicht, weil er weiß, dass Panik selten gute Entscheidungen bringt.
Einmal erzählte er mir von einem Handwerksbetrieb, der durch eine Attacke völlig lahmgelegt war. Der Chef war nervlich am Ende.
Golo meinte später zu mir:
„Das Schlimmste ist nicht der Schaden. Es ist dieses Gefühl der Hilflosigkeit. Und genau dafür sind gute Policen da – sie holen die Leute aus diesem Loch raus.“
Das beschreibt gut, warum ich dieses Interview führen wollte. Er ist keiner, der Dinge schönredet. Aber er zeigt Wege auf, wie man Katastrophen managt.
FAQ – Häufige Fragen rund um Cyberversicherungen
Was deckt eine Cyberversicherung ab?
Wiederherstellung von Daten, Forensik, Krisenkommunikation, Betriebsunterbrechung, Haftungsschäden, Rechtsberatung und in seltenen Fällen auch Erpressungszahlungen.
Sind Cyberversicherungen für Privatpersonen sinnvoll?
Für manche ja – etwa bei Identitätsdiebstahl oder Online-Betrug. Im Fokus steht aber klar der gewerbliche Bereich.
Leistet eine Cyberversicherung bei Fahrlässigkeit?
Bei normaler Fahrlässigkeit ja. Bei grober Fahrlässigkeit kann es kompliziert werden.
Wie schnell helfen Versicherungen im Ernstfall?
Gute Anbieter haben 24/7-Hotlines und Incident-Response-Teams. Die Unterstützung beginnt meist innerhalb weniger Stunden.
Ersetzt eine Cyberversicherung IT-Sicherheit?
Nein, niemals. Sie ergänzt sie.
Wer braucht den Schutz am dringendsten?
Online-Shops, Berater, Arztpraxen, Handwerksbetriebe, Freelancer, Agenturen – also fast jeder, der digital arbeitet.
Welche Fehler führen oft zu Problemen im Schadensfall?
Fehlende Backups, alte Systeme, unsichere Passwörter und falsche Angaben im Antrag.
Wie finde ich die passende Police?
Vergleiche Tarife, prüfe Dienstleister, achte auf realistische Summen und hole dir fachliche Beratung.
Fazit
Cyberangriffe sind kein Science-Fiction-Szenario. Sie passieren jeden Tag – leise, schnell, oft mit großem Schaden.
Eine Cyberversicherung löst die Probleme nicht, aber sie sorgt dafür, dass man nicht allein dasteht, wenn etwas schiefläuft.
Das Gespräch mit Golo zeigt, wie wichtig es ist, das Thema ohne Panik, aber mit Respekt anzugehen. Gute Vorbereitung und gute Partner im Ernstfall – darauf kommt es an.
Labels:
Cyberversicherung, IT-Sicherheit, Risikoabsicherung, Digitalisierung, Interview, Unternehmen, Selbstständigkeit, Versicherungen, Cyberangriffe, Betriebsschutz
Meta-Beschreibung:
Umfangreiches Interview mit Versicherungsexperte Golo Schöllhammer über Cyberversicherungen, reale Schadensfälle, Kosten, Leistungen und Prävention. Mit persönlichem Einblick und großer FAQ-Sektion.
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